Claus Wechselmann ist eigentlich Berater. Vor sechs Jahren hat er begonnen, Romane zu schreiben; im April wurde der erste von einem Verlag veröffentlicht. Das Schreiben ist für Claus Ausdruck seiner Seele, für das er gerne die wenige Freizeit nutzt, die sein anspruchvoller Beruf ihm lässt.

Bitte erzähle etwas über dich und deinen beruflichen Hintergrund.

Zurzeit bin ich Geschäftsführer bei einem mittelständischen Beratungsunternehmen, das die öffentliche Hand in Deutschland berät. Ursprünglich habe ich Publizistik und Linguistik an der FU Berlin studiert, was mich sehr geprägt hat. Ich würde mich heute noch als Neostrukturalisten bezeichnen, für den Begriffe wie Paradigma, Dekonstruktion und Zeichentheorie eine große Rolle spielen. Außerdem bin ich Vater von zwei erwachsenen Töchtern, auf die ich sehr stolz bin und die mich oft inspirieren, wenn ich an einer Geschichte schreibe.

Wann hast du mit dem Schreiben angefangen und welche Rolle spielt es heute in deinem Leben?

Vor ziemlich genau sechs Jahren. Inzwischen ist es für mich zu etwas sehr Wichtigem geworden. Fast jeden Tag finde ich mindestens eine Stunde, um an einem Roman zu arbeiten; gerade arbeite ich an meinem siebten Werk. Schreiben ist für mich Ausdruck und Spiegel meiner Seele, Ventil meiner Fantasie und etwas, was mich erfüllt und bisweilen in einen Zustand vollständiger Abgeschiedenheit versetzt.

Fast jeden Tag finde ich mindestens eine Stunde, um an einem Roman zu arbeiten.

Vor kurzem hast du deinen ersten Roman „Reingewaschen“ veröffentlicht. Bitte erzähle, worum es darin geht.

Berlin 1984. Sebastian findet den Nachlass seines Großvaters aus einer anderen Zeit: zehn Briefe, geschrieben von einem ehemaligen Häftling während des Zweiten Weltkrieges. Er setzt alles in Bewegung, um das Geheimnis um den Gefangenen zu entschlüsseln – Brief für Brief rekonstruiert er das Geschehene. Wäre da nicht Sebastians Vater, der die Nachforschungen verhindern will. Wer war sein Großvater wirklich? Die Suche nach Antworten führt Sebastian in eine geheime Abteilung der deutschen Verwaltung, deren Spuren fast vollständig verwischt wurden.

Was ist das Schwierigste daran, einen Roman zu schreiben?

Ganz unterschiedliche Aspekte, wie ich finde. Am schwierigsten ist für mich die inhaltliche Stringenz, die das Buch haben muss, um von möglichst vielen Lesern als spannend und plausibel empfunden zu werden. Dann ist da ein großer Drang in mir, Reflexionen zu verarbeiten, Überlegungen und Sichten auf die Welt, die die Handlung verlangsamen und den Leser vor eine Geduldsprobe stellen können. Dies zu vermeiden, ist nicht einfach. Als letzten Punkt möchte ich die Notwendigkeit nennen, mit dem, was man schreibt, Geschmack und Zeitgeist zu treffen, und eben nicht nur dem eigenen Bedürfnis zu folgen, etwas Bestimmtes auszudrücken.

Cover des Romans “Reingewaschen von Claus Wechselmann

Bitte erzähle uns vom Entstehungsprozess des Buches und welche Rolle Ulysses darin gespielt hat.

Ulysses ist für mich das Werkzeug, das es mir erlaubt, mich ausschließlich und vollkommen auf das Schreiben zu konzentrieren. Schreiben ohne extreme Fokussiertheit führt bei mir zu keinen guten Ergebnissen. Mir kommt es sehr entgegen, dass Ulysses blätterbasiert arbeitet und ich so in Kapiteln und Sinnabschnitten denken kann. Am Anfang, das heißt auf den ersten Blättern (Kapiteln) mache ich mir viele Notizen, um dort die Akteure zu hinterlegen und über die Zeit weiterzuentwickeln. Für mich ist die Einstellung von Blattfarbe, Fonts und Größe der Schrift sehr wichtig, weil ich dieses Gefühl brauche, dass mich nichts stört und ich mich nicht um die Software kümmern muss.

Ein Buch beginnt bei mir mit einer Initialidee, die ich auf dem ersten Blatt in Ulysses entwickle. Dann lege ich los, lasse mich in einen fiktiven Kontext fallen und die ersten Figuren beginnen ihre Rollen zu übernehmen. Ich schreibe praktisch jeden Tag. Der Verlauf hängt natürlich auch von meiner Stimmung ab; in der Regel weiß ich nicht auf Detailebene, was passieren wird. Bei Reingewaschen wollte ich ein Buch über einen Aspekt des Deutschen schreiben, der sich darin ausdrückt, dass Disziplin schnell zum Selbstzweck werden kann.

Der Verlauf hängt natürlich auch von meiner Stimmung ab; in der Regel weiß ich nicht auf Detailebene, was passieren wird.

Wie schwer (oder wie leicht) war es, einen Verlag für dein Buch zu finden? Welche Tipps hast du für andere Autoren, die vor dieser Herausforderung stehen?

Es ist katastrophal schwer, einen Agenten oder einen Verlag zu finden. Und es sagt, davon bin ich inzwischen vollkommen überzeugt, nichts über die Qualität eines Autors oder seines Werkes aus. Die Branche taumelt zwischen Kommerz und Kunst, Anspruch und Massentauglichkeit. Bei mir ging es relativ flott. Eine kleine Agentur mochte meine Sprache und die Plots zweier meiner Bücher und bot diese fortan ganz unterschiedlichen Verlagen an. Ganz am Anfang hieß es schon, dass es lange dauern würde. So war ich schließlich überrascht, als nach knapp zwei Jahren ein Verlag eines der Bücher herausbringen wollte. Gmeiner ist ein toller Verlag, mit dem die Arbeit von der ersten Minute an Spaß gemacht hat. Als Tipp möchte ich allen, die einen Verlag suchen, geben, dass sie viel Zeit und Kraft in die Exposés stecken sollten; auch müssen die ersten dreißig Seiten des Werkes ausreichend spannend sein und einen guten Gesamteindruck hinterlassen. Es ist wohl erfolgversprechender mit Nachdruck einen Verlag zu suchen, als eine Agentur dazu bringen, sich mit einem neuen Autor auseinanderzusetzen.

Du arbeitest hauptberuflich als Berater, ein anspruchsvoller Job. Wie findest du die Zeit zum Schreiben?

Der Beruf ist in der Tat sehr anspruchsvoll und absorbiert viel von meiner Zeit. Wir beraten die öffentliche Hand in Deutschland, was mir und dem Team sehr viel bringt. Ich denke, dass ich aus dem beruflichen Erleben viele Ideen für Geschichten ziehe, ohne dabei die Grenze einer Indiskretion zu überschreiten. Tatsächlich schreibe ich gern, wenn ich unterwegs bin, das heißt in der Bahn oder auf Bahnhöfen und/oder Flughäfen. Gern morgens nach dem Aufstehen und natürlich am Wochenende.

Claus’ Ulysses-Bibliothek

Träumst du davon, das Schreiben zu deiner Hauptbeschäftigung zu machen?

Wer würde das nicht? Zurzeit ist nicht erkennbar, dass ich mit dem Schreiben genug Geld verdienen könnte, um davon zu leben. Also ist es wohl eher ein Projekt für die Zukunft, sich vollkommen den Geschichten hinzugeben, die mich selbst oftmals so sehr fesseln, dass ich einen Plot voranbringen möchte.

Wie hast du von Ulysses erfahren und was magst du besonders daran?

Ich kenne Ulysses schon ewig und habe die ersten Texte in der Version 2 kreiert. Natürlich gefällt mir das Programm heute viel besser.  Es ist vor allem das Gefühl, mit einer Schreibmaschine ausgestattet durch die Welt zu ziehen, und zu jedem nur denkbaren Moment und jedem Ort ganz einfach losschreiben zu können. Gefunden habe ich es irgendwann einmal bei einer Internet-Recherche, die mindestens sechs oder sieben Jahre her sein muss.

Ich mag das Gefühl, mit einer Schreibmaschine ausgestattet durch die Welt zu ziehen, und zu jedem nur denkbaren Moment und jedem Ort ganz einfach losschreiben zu können.

Welche anderen Programme und Tools benutzt du, und wie helfen sie dir, produktiv zu arbeiten?

Für das Schreiben benutze ich keine anderen Tools. Beruflich arbeite ich mit den einschlägigen Programmen, von denen niemand mehr als fünf Prozent benutzt und die sind dann immer noch nicht intuitiv nutzbar. Ich bin privat überzeugter Apple-User und blicke auch hier auf eine lange Nutzungsvergangenheit zurück. Alles begann mit einem McIntosh SE30 und Ragtime. Das alte Ding steht jetzt als Kunstobjekt in meinem Wohnzimmer.

Was ist sonst noch notwendig, damit du produktiv bist? Arbeitest du zum Beispiel in einer bestimmten Umgebung oder folgst einer zeitlichen Routine?

Bei mir ist mein Biorhythmus wichtig: Eigentlich kann ich nur schreiben, wenn ich ausgeruht bin. Das ist meistens morgens der Fall. Dann ist es Fokus; anders als bei vielem anderen, was ich so mache, verliere ich mich sehr gern beim Schreiben, werde fast selbst ein Akteur in der Geschichte und dann ist da kein Raum für irgendetwas anderes. Das Radio darf laufen, weil ich es sowieso nicht wahrnehme.

Wie schon gesagt, arbeite ich supergern draußen, wenn ich unterwegs bin. Wobei mir hier sehr entgegen kommt, dass Ulysses auch auf dem iPad läuft, das ich ausschließlich nutze, wenn ich nicht zuhause bin. Die Texte synchronisiere ich über die iCloud, was fast immer gut funktioniert. Außerdem klappt es mit dem Schreiben am besten, wenn ich allein bin.

Claus' Roman Reingewaschen ist beim Gmeiner-Verlag erschienen, aber auch bei Amazon erhältlich.